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Kornwestheim ist eine echte Vorzeige-Stadt!“ – Ludwigsburg24 im Gespräch mit OB Ursula Keck

Seit 2007 hat die parteilose Ursula Keck den Posten der Oberbürgermeisterin von Kornwestheim inne. Im Interview sprach sie über die Entwicklung der Stadt, ihre Nähe zu den Bürgern und die soziale Lage in Kornwestheim.

 

Frau Keck, seit 12 Jahren sind Sie Oberbürgermeisterin von Kornwestheim. Bitte eine kurze Selbsteinschätzung: Welche Dinge in Ihrer Amtszeit sind Ihnen gut gelungen?

Als ich im Jahr 2007 meinen Dienst angetreten habe, war es ein großer Wunsch von mir, dass die Bürgerschaft, der Gemeinderat und die Institutionen gut zusammenarbeiten. Diesen Wunsch habe ich in Form eines Hefezopfes mit drei Strängen visualisiert. Ich glaube, die Umsetzung ist mir gut gelungen

 

Aber es gibt doch sicherlich auch Dinge, die nicht so gelaufen sind, wie Sie sich das vorgestellt haben?

So etwas gibt es natürlich immer (lacht). Zum Beispiel, wenn ich von Kornwestheim nach Stuttgart fahre. Da gibt es eine Ampel und jedes Mal, wenn ich dort stehe, denke ich, dass ein Kreisverkehr an dieser Stelle viel besser gewesen wäre.

 

Sie haben gerade die Bürgerschaft von Kornwestheim angesprochen. Wie wichtig ist Ihnen die Nähe zu den Bürgern?

Bürgernähe ist mir sehr wichtig. Ich gehe zum Beispiel fast jeden Morgen ins Rathaus, kaufe hier regelmäßig ein, gehe hier zum Arzt und besuche privat viele Lokalitäten in der Stadt. Ich genieße es hier zu leben, zu arbeiten und all das in Anspruch zu nehmen, was Kornwestheim zu bieten hat.

 

War Oberbürgermeisterin zu sein, schon immer so etwas wie ein Traumberuf?

Nein, auf keinen Fall. Als ich im Jahr 1986 meine Ausbildung zur Diplom-Verwaltungsbeamtin abgeschlossen habe, gab es in Deutschland noch keine Bürgermeisterin oder Oberbürgermeisterin. Deshalb konnte das gar nicht mein Lebensziel sein. Die erste Oberbürgermeisterin war Beate Weber im Jahr 1996 in Heidelberg, mittlerweile sind sechs Prozent aller Bürgermeister in Baden-Württemberg weiblich. Meine berufliche Laufbahn hat sich bis zu meiner Kandidatur im Jahr 2007 kontinuierlich entwickelt. Hätte mir jemand vor 20 Jahren prophezeit, dass ich einmal eine Oberbürgermeisterin sein würde, dann hätte ich das bestimmt nicht geglaubt (lacht).

 

Und warum gerade in Kornwestheim? Was fasziniert Sie an der Stadt?

Ich habe früher in Stuttgart-Mühlhausen gewohnt, also in der unmittelbaren Nachbarschaft, von daher war ich öfters Mal als Besucherin in Kornwestheim. Für mich hat die Stadt einen großen Charme. Sie ist sehr kompakt, dazu eng vernetzt und eine Stadt der kurzen Wege. Ich finde, Kornwestheim kann sich als Vorzeige-Stadt in der Region betiteln. Sie ist wirtschaftlich gut aufgestellt und hat alle Kindertages- und Bildungseinrichtungen, die für Familien wichtig sind.

 

Kommen wir von der Stadt zur Region. Wie ist da Ihre regionale Sicht?

Ich bin selbst ein Kind der Region Stuttgart und bewege mich hier seit Geburt, mit Ausnahme einer kurzen Zeit in Dresden. Von daher kenne ich die Region sowohl aus ländlicher, wie auch aus städtischer Sicht. Ich finde, dass sie ein Wirtschaftszentrum im süddeutschen Raum ist. Mir ist es wichtig, dass wir eine regionale Identität entwickeln, dass wir uns als Region definieren, gute Beziehungen zu anderen Städten pflegen und uns stärken und stützen. Kurz gesagt, die Lebensqualität hier ist sehr hoch.

 

Wie ist die Beziehung der Städte Ludwigsburg und Kornwestheim zueinander?

Die ist sehr gut. Die beiden Städte haben viele Berührungspunkte, zum Beispiel die Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim. Dadurch gibt es sehr viele Themen, die beide Städte verbinden.

 

Wie hat sich in Ihrer Amtszeit und unter Ihrer Regie das Thema sozialer Wohnungsbau entwickelt?

Der soziale Wohnungsbau ist kein neues Thema, das unsere Gesellschaft beschäftigt. Es begleitet uns schon seit Jahrzehnten. Sehr viele Kommunen haben ihren Wohnungsbestand verkauft oder privatisiert – Kornwestheim ging da einen zukunftsorientierteren Weg. Die Stadt hat schon seit jeher einen eigenen, relativ hohen Wohnungsbestand und hat vor 29 Jahren die Städtische Wohnbau gegründet. Diese hat schon immer sozialen Wohnungsbau betrieben und eigene Bauprojekte als Bauträger realisiert. Das Ziel der Bauträgerprojekte ist, den Gewinn in den sozialen Wohnungsbau zu investieren. Für mich persönlich ist die Wohnraumversorgung die wichtigste Grundlage unseres sozialen Friedens. Deshalb macht es uns Sorgen, dass unsere Gesellschaft dieses Thema immer wieder entzweit.

 

Auch das Thema Ganztageskinderbetreuung wird hier in der Region kontrovers diskutiert. Welchen Ansatz verfolgt die Stadt Kornwestheim in diesem Bereich?

Wir müssen den Rechtsanspruch für Kinder unter drei Jahren erfüllen, flexible Betreuungsangebote bieten und eine möglichst hohe Trägervielfalt bieten. Das bedeutet, dass sowohl die Stadt selbst Kindergartenträger ist, aber auch andere Einrichtungen der Kirchen oder anderer freier Träger unterstützt.

 

In den letzten Jahren sind immer mehr Familien mit Kindern nach Kornwestheim gezogen. Deshalb fiel vor einigen Jahren auch die Entscheidung des Gemeinderats an der Ravensburger Kinderwelt bis 2019 festzuhalten. War die Entscheidung rückblickend richtig? Immerhin belaufen sich die Subventionen dafür auf rund 700.000 Euro im Jahr. Dazu kamen im 2018 noch 180.000 Euro Umbaukosten.

Diese Immobilie, in der sich heute die Ravensburger Kinderwelt befindet, stand ursprünglich leer. Ein Investor wollte damals eine 1.200 qm große Spielhalle in dem Gebäude errichten. Wir standen vor der Wahl, dort etwas zu eröffnen, was das städtische Leben bereichert oder eben der Spielhalle zuzustimmen. Deshalb war es die richtige Entscheidung, mit allen finanziellen Folgekosten, die Ravensburger Kinderwelt dort unterzubringen.

 

Wie geht es ab nächstes Jahr mit der Ravensburger Kinderwelt weiter?

Für mich ist die Kinderwelt ein Magnet in der Region Stuttgart. Der Gemeinderat muss im Rahmen der Haushaltsplanberatungen entscheiden, ob die Einrichtung weitergeführt wird.

 

Kornwestheim hat nicht nur einen hohen Kinderanteil, es gibt hier auch sehr viele Menschen mit Migrationshintergrund. Welche Maßnahmen wurden bzw. werden seitens der Stadt getroffen, um die Einbindung dieser Menschen hier zu verbessern?

Um diese Frage zu beantworten, würde ich gerne in die 1960er Jahre zurückgehen, denn Kornwestheim ist seit dieser Zeit eine wahre Vorzeigestadt, was das Thema Integration betrifft. Ich bin davon überzeugt, dass sich unsere Stadt dadurch auszeichnet, dass sie sehr früh eine aktive Integrationsarbeit betrieben hat. Sie hat die Gastarbeiter in den 1960er und 70er Jahren sehr erfolgreich in ihr Gemeinwesen integriert. Sozialwissenschaftler haben uns bestätigt, dass der Garant für diese Einbindung unser vielfältiges Vereinsleben ist. Hier gibt es ausländische Vereine, die bei uns ihre Kultur pflegen, aber auch in guten Kontakten zu anderen Vereinen und Organisationen stehen, um so ein möglichst breites kulturelles Miteinander zu gewährleisten. Darauf bin ich persönlich sehr stolz.

 

Ihre offizielle Amtszeit als Oberbürgermeisterin von Kornwestheim geht noch bis zum 2023. Wäre eine weitere Amtszeit danach für Sie denkbar?

Aber selbstverständlich (lacht). Bis dahin ist aber noch etwas Zeit. Jetzt konzentriere ich mich voll und ganz auf meine Arbeit, die mir sehr großen Spaß bereitet.

 

Das Interview wurde geführt von Bodo Mönk

 

“In Deutschland haben wir einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 50 Mrd. Euro die Woche”: Ludwigsburg24 trifft Fabian Gramling

Für den Landtagsabgeordneten Fabian Gramling herrscht gerade Hochkonjunktur. Der CDU-Politiker aus Bietigheim-Bissingen ist Arbeitsmarktpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion und Mitglied im Ausschuss Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau sowie im Europaausschuss. Gemeinsam mit den Wirtschaftsexperten seiner Fraktion ist er mitverantwortlich für die schnell eingeleiteten Maßnahmen für die Corona-Soforthilfe. Seit Tagen kümmert er sich intensiv um besorgte Unternehmen, die vor großen finanziellen Herausforderungen stehen und nicht mehr weiterwissen. Auch um den Engpass bei den Schutzkleidungen für Ärzte, Pflege- sowie Heilberufe sorgt er sich. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 gibt er persönliche Einblicke in seine Arbeit und hofft auf die Vernunft der Menschen im Umgang mit dem Covid-19-Virus.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

Herr Gramling, viele Selbständige und Unternehmer fürchten, bald vor dem Ruin zu stehen. Ein Soforthilfeantrag für staatliche Zuschüsse soll das verhindern, aber viele Antragsteller sind verunsichert aufgrund der ständig wechselnden Bedingungen für die Soforthilfe. Wie kann man hier Abhilfe schaffen?
Die Soforthilfe ist ein Instrument, um die Unternehmen in dieser schweren Zeit zu unterstützen, damit sie nicht insolvent gehen. Unser politisches Ziel war, dass die Hilfe möglichst unbürokratisch und schnell erfolgt. Unter normalen Umständen hätte die Ausarbeitung einer solchen Maßnahme rund ein halbes Jahr in Anspruch genommen. Das ganze Programm wurde aber jetzt aufgrund der dynamischen Lage innerhalb kürzester Zeit mit heißer Nadel gestrickt. Da ist es ganz normal, dass infolge aufkommender Fragen bei den ersten Soforthilfeanträgen nachgebessert und präzisiert wird. Deshalb war ich sowohl mit unserer Wirtschaftsministerin Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, als auch mit meinen Bundestagskollegen im engen Kontakt. Es war ein Kraftakt, aber ich bin froh, dass wir durch eine Richtlinienänderung aus Berlin die Notwendigkeit der Überprüfung von liquiden Mitteln aus dem Antragsverfahren streichen konnten. Jetzt können die Soforthilfen wirklich unbürokratisch und schnell ausbezahlt werden.

Haben Sie schon einen Überblick, wie viele Anträge eingehen und auch bewilligt werden?
Bis Donnerstag waren in Baden-Württemberg bereits rund 210.000 Soforthilfeanträge gestellt, Fördermittel in Höhe von 36 Millionen Euro wurden bereits ausgezahlt. Kommt es bei der Antragsprüfung zu Unklarheiten, wird der Antrag nicht sofort abgelehnt. Ich bin den Kammern sehr dankbar, dass hier gewissenhaft nachgearbeitet wird, wenn aufgrund von Missverständnissen ein Antrag fehlerhaft ausgefüllt wurde.

Es ist noch nicht absehbar, wie lange der aktuelle Zustand anhält und die Beschränkungen notwendig sind. In Deutschland haben wir einen volkswirtschaftlichen Schaden von bis zu 50 Mrd. Euro die Woche. Deswegen müssen wir die Entwicklung der Fallzahlen genau beobachten und bei den Hilfsmaßnahmen für unsere Wirtschaft gegebenenfalls nochmals nachsteuern. Das ist ein Kraftakt von allen politischen Ebenen. Der Bund hat wichtige Maßnahmen wie zum Beispiel das Kurzarbeitergeld und die Stundung der Sozialversicherungsbeiträge ermöglicht. Im Land werden wir genau hinschauen, wo und wie wir mit Bürgschaften oder zinsfreien Krediten die Liquidität der Unternehmen erhalten können. Auch für Startups ergreifen wir Maßnahmen, dass junge Firmen nicht direkt in die Zahlungsunfähigkeit und Insolvenz gehen.

Laufen bei den Politikern schon Planungen für Maßnahmen, falls die Soforthilfe über die drei Monate hinaus notwendig wäre?
Das Allerwichtigste ist, dass sich wirklich jeder Bürger an die eigene Nase fasst und sich fragt, wo er seinen Beitrag leisten kann, damit sich der Virus nicht weiterhin so schnell verbreitet und die Fallzahlen rückläufig werden. Ist das der Fall, geht es darum, inwieweit wir die Maßnahmen behutsam lockern können und die Wirtschaft wieder langsam anlaufen kann. Wir benötigen sehr viel Fingerspitzengefühl, um wieder in die Normalität zurückkehren zu können. Das Wirtschaftsministerium arbeitet an weiteren Maßnahmen. Je nach Situation und der weiteren Entwicklung werden wir politische entscheiden müssen, welche Maßnahmen notwendig sind.

Wie lautet Ihre persönliche Einschätzung: Werden die Kinder nach den Osterferien wieder in die Schule gehen können?
Ich glaube, es ist ein Fehler, wenn man politisch in der Öffentlichkeit zu viel von einer Exitstrategie spricht. Das suggeriert den Menschen, dass die Gefahr jetzt vorbei sei. Intern müssen wir es natürlich diskutieren. Die Landtagsverwaltung plant aktuell, dass wir nach den Osterferien wieder in den normalen Sitzungsrhythmus einsteigen – ob mit körperlicher Präsenz in Stuttgart oder per Videokonferenz wird sich zeigen. Die Einschätzung von den Experten ist jedoch, dass wir in knapp zwei Wochen ähnlich erschreckende Bilder aus unseren Krankenhäusern zu sehen bekommen wie zuletzt aus dem Elsass. Ich betone bei jedem Gespräch, dass die Entwicklung der Fallzahlen für weitere Maßnahmen ausschlaggebend ist. Wenn das Wetter in den nächsten Tagen besser wird habe ich die Sorge, dass die Disziplin bei dem ein oder anderen nachlässt. Aus Gesprächen weiß ich, dass viele Menschen endlich wieder mehr Normalität in ihrem Leben haben möchten. Aber das birgt eben die Gefahr, dass die Fallzahlen nochmals ordentlich zulegen könnten. Das wäre für den Schulbeginn, für die anstehenden Schulprüfungen, für den Semesterbeginn an Universitäten, aber auch für die Wirtschaft verheerend.

In Bayern hat man jetzt den ersten Bürger, der die Auflagen missachtet, ins Gefängnis gesetzt. Sollte man bundesweit generell konsequenter bestrafen, wenn die Menschen nicht zur Vernunft kommen? 
Es ist wichtig, dass wir den Menschen unmissverständlich klarmachen, dass wir ihr Leben nicht zum Spaß einschränken. Deshalb ist es wichtig, dass bei einer Missachtung der Schutzauflagen auch deutliche Konsequenzen drohen. Gerade die jüngere Generation ist sehr individuell und frei aufgewachsen. Dass sich in dieser Altersgruppe einige mit den Einschränkungen nur schwer arrangieren können, kann ich nachvollziehen. Deshalb ist es mir ein besonderes Anliegen zu unterstreichen: Wir stützen unsere Wirtschaft mit Milliarden von Euros, damit gerade die junge Generationen auch künftig noch attraktive Arbeitsplätze haben wird. Dafür erwartete ich im Gegenzug auch die notwendige Disziplin.

Wie sieht Ihr persönlicher Corona-Alltag aus?
Von Beginn an habe ich den Virus sehr ernst genommen. Vor zwei Wochen wäre ich beispielsweise noch mit der Polizei auf Streife unterwegs gewesen, damit ich mir ein genaueres Bild über den Streifenalltag der Polizei verschaffen kann. Diesen Termin habe ich abgesagt, um sowohl die Polizisten als auch mich zu schützen. Aber ich habe auch alle anderen Termine, unabhängig von der teilnehmenden Personenzahl, komplett gestrichen. Seither beschränke ich mich auf Homeoffice, was bedeutet, dass ich von morgens bis abends in Telefonkonferenzen sitze oder ich telefoniere mit Unternehmern, Kollegen, der Presse – und ich beantworte unzählige Mails. Ich spüre, dass viele Menschen verunsichert sind und ein großer Bedarf an Informationen vorhanden ist. Deshalb nutze ich auch die sozialen Netzwerke intensiv, um über die neuesten Entwicklungen zu informieren und die Menschen weiter für das Thema zu sensibilisieren. Meine Wohnung verlasse ich momentan tatsächlich nur für den Lebensmitteleinkauf oder für einen gelegentlichen Spaziergang auf den Feldern – um nach einen langen Tag den Kopf ein bisschen freizubekommen.

Was wird am Ende dieser Corona-Krise für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft die große Lehre sein? Mit welchen positiven Erkenntnissen oder gar Veränderungen werden wir nach der Pandemie in die Zukunft starten?
Von Lehren möchte ich jetzt noch nicht sprechen, weil wir noch mittendrin stecken. Was ich aber feststelle ist, dass die Gesellschaft in den letzten zwei, drei Wochen deutlich digitaler geworden ist. Der Umgang mit digitalen Medien ist in der Breite der Gesellschaft zum Alltag geworden. Politisch werden wir rückblickend ein Fazit ziehen. Ich finde, dass alle Entscheidungsträger bisher sehr besonnen und schnell reagiert haben.

Ich erinnere nur an die konsequente Rückholaktion von Deutschen aus China, die zuerst unter Quarantäne gestellt wurden, bevor sie zu ihren Familien heim durften. Als das Virus in Italien und Österreich während der Ski-Hochsaison in Europa ausbrach, war mir sofort klar, dass das Virus jetzt auch bei uns sehr schnell ankommen würde. Die Politik hat trotz der dynamischen Entwicklung ihre Handlungsfähigkeit bewiesen und schnell entsprechende Maßnahmen für den Schutz der Bürger, für den Gesundheitssektor und die Wirtschaft unternommen. Ich beobachte auch eine gewachsene Solidarität bei den Unternehmen sowie in der Gesellschaft. Die gewachsene Solidarität und eine größere Wertschätzung füreinander sind ein schönes Zeichen für die Zukunft. 

Glauben Sie, dass die Menschen nach der überstandenen Krise bewusster leben werden?
Da kann ich zunächst mal nur für mich sprechen, denn bei mir ist es definitiv so. Ich merke jetzt schon, dass ich Dinge bewusster wahrnehme, im Lebensalltag auf scheinbare Nebensächlichkeiten achte und mich daran erfreue. Zwar habe ich schon vor sechs, sieben Jahren damit begonnen, mich bewusster und gesünder zu ernähren – insbesondere auch mit regionalen Produkten. Ich will mich künftig regelmäßiger bei meinen Eltern melden, was in der Vergangenheit bei großem Stress oftmals in den Hintergrund gerückt ist. Ich nehme auch die gemeinsame Zeit mit meiner Verlobten noch viel intensiver und wertschätzender wahr.

Was macht Ihre Verlobte beruflich? Ist sie auch im Home Office?
Leona studiert gerade Wirtschaftsrecht im Masterstudium in Nürnberg. Ihr Semesterbeginn hat sich, wie in Baden-Württemberg auch, um fünf Wochen verschoben. Folglich sitzen wir jetzt gemeinsam daheim und haben schon gesagt: Wenn wir diesen Ausnahmezustand zusammen gut überstehen werden, dann kann uns auch im zukünftigen Leben nichts aus der Bahn werfen.

Wann werden Sie heiraten?
Zum Glück stehen wir am Anfang der Hochzeitsplanung. Ich hätte nicht gedacht, an wieviel Dinge man denken muss und was es bereits Monate im Voraus zu planen gilt – auch wegen der großen Vorfreude fühle ich gerade umso mehr mit all jenen mit, die ihr großes Fest jetzt verschieben mussten. Unsere Hochzeit wird mit Sicherheit erst 2021, wenn nicht sogar 2022 stattfinden. Im Augenblick suchen wir noch nach einer geeigneten Lokalität. Im April wollten wir bei einer Location ein Testessen machen, das wir jetzt aber verschieben mussten. Deswegen liegt unsere weitere Planung gerade auf Eis.

Sind Sie ein Romantiker?
Persönlich würde ich die Frage eher verneinen. Meine Verlobte sagt aber, dass ich durchaus romantische Seiten habe, was sie gerade am Anfang unserer Beziehung überrascht hat.

Wie macht sich Ihre romantische Seite bemerkbar? Stellen Sie in der ganzen Wohnung Kerzen auf und verstreuen Rosenblätter?
Meine romantische Ader zeichnet sich eher durch kleine Aufmerksamkeiten aus. Als Politiker ist man viel unterwegs, hat wenig freie Zeit. Deshalb versuche ich ihr im Alltag mit kleinen Überraschungen eine Freude zu machen. Auch als Wertschätzung dafür, dass sie mich immer unterstützt und mir den Rücken freihält.

Stichwort Wertschätzung: Die Solidaritäts- und Respektsbekundungen gegenüber Ärzten und dem Pflegepersonal sind gewachsen. Reicht das aus oder werden die Pflegekräfte auch weiterhin unter Wert geschätzt?
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat die Pflegeberufe wieder in die Öffentlichkeit und ins Bewusstsein der Bürger gebracht. Und ich finde es für diese Branche extrem wichtig, dass sie sich selbstbewusst darstellt und zeigt, dass sich das Berufsbild im Laufe der Jahre gewandelt hat. Gerade bei den jungen Menschen geht es bei der Berufswahl ums richtige Image eines Betriebs, damit sie sich wohl- und gut aufgehoben fühlen. Worüber wir ganz klar reden müssen ist, was der Gesellschaft die Pflegeberufe wert sind. Das eine ist die gestiegene Wertschätzung in der gegenwärtigen Situation, das andere ist, dass wir diesen Mitarbeitern die gleiche Solidarität entgegenbringen müssen, wenn es künftig um eine bessere Bezahlung geht oder um bessere Arbeitsbedingungen. In der Vergangenheit habe ich leider immer wieder gemerkt, dass in Sonntagsreden gerne gelobt wird. Wenn es aber konkret wird, sehen viele die Sache wieder ganz anders. Es ist unsere politische Aufgabe den Druck so zu erhöhen, dass wir tatsächlich zu Verbesserungen kommen. Es ist im Gesundheitsbereich immer ein schwieriger Spagat. Auf der einen Seite der Wunsch nach einem besseren Gehalt und einer besseren Ausstattung, auf der anderen Seite steht die Finanzierbarkeit.

Glauben Sie, dass die Corona-Krise auch unsere politische Landschaft verändern wird? Dass die rechten und linken Ränder an Bedeutung verlieren und Volksparteien künftig wieder auf einem festeren Fundament stehen?
In einer Krise werden immer Entscheidungen getroffen, die es in normalen Zeiten so nie geben würde. Der Druck zu reagieren ist sehr hoch. Eine politische Lösung die normalerweise undenkbar ist, wird plötzlich konsensfähig. Die Politik beweist damit Handlungsfähigkeit, dass wir Fürsorge und Verantwortungsbewusstsein in allen gesellschaftlichen Bereichen haben. Der Fokus der Bürgerinnen und Bürger und auch der Medien liegt somit fast ausschließlich auf den handelnden Ministern, den Länderchefs und der Kanzlerin. Weil eine große Herausforderung das Tagesgeschehen dominiert, verlieren die teils kruden politischen Forderungen von Links wie Rechts weniger Beachtung. Weniger Aufmerksamkeit bedeutet für sie automatisch weniger Bedeutung. Deswegen stärkt die Krise gerade die politische Mitte, was sowohl in Deutschland als auch in Europa für alle anstehenden Wahlen sehr wichtig ist. Die Volksparteien brauchen einfach wieder mehr Rückenwind. Mit einem klaren Wählerauftrag können wir eine zuverlässige, vernünftige Politik für Deutschland machen. Das ist unser Anspruch.

Wird die Corona-Krise sich auf die anstehenden personellen Veränderungen an der CDU-Spitze auswirken?
Wir wollten auf dem CDU-Bundesparteitag am 25. April einen neuen Vorsitzenden wählen. Der Parteitag wurde bereits vor einigen Wochen abgesagt, einen neuen Termin gibt es noch nicht. Wir haben eine Auswahl an sehr geeigneten Kandidaten, was die Stärke der CDU verdeutlicht. Jeder Einzelne von ihnen hat seine Stärken und Vorteile.

In schwierigen Zeiten ist der Konsens und die Geschlossenheit für eine Partei sehr wichtig. Ich sehe die Chance, dass wir uns auf einen Kandidaten für das Amt des Parteivorsitzenden und damit auch als nächsten Kanzlerkandidaten im Vorfeld einigen können. Aber auch wenn es zu einer demokratischen Abstimmung um den Vorsitz kommt: Die CDU hat in den letzten Tagen bewiesen, dass wir uns als Partei in den Dienst des Landes und der Menschen stellen und Verantwortung übernehmen. An dieser Geschlossenheit wird auch eine mögliche Auswahl unter fähigen Kandidaten nichts ändern.

Letzte Woche haben Sie für unseren Landkreis einen Corona-Drive-Through bei Landrat Allgaier eingefordert. Warum?
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir ehrliche Fallzahlen benötigen und wissen sollten, wie viele Menschen wo infiziert sind. Nur wenn man das weiß, kann man auch effizient die entsprechenden Maßnahmen einleiten. Wir haben in Ludwigsburg einen qualitativ hochwertigen Ansatz, den ich respektiere und von dem ich denke, dass er in der aktuellen Situation gut ist. Dennoch bin ich davon überzeugt, dass wir an einem Punkt ankommen werden, wo es vor allem darum geht, schnell zu wissen, ist eine Person infiziert oder nicht. Ein Drive-Through ist dafür prädestiniert. Im Auto ist man vor der Ansteckung geschützt und kann selbst niemanden anstecken, es ist bequem und ein Abstrich kann schnell gemacht werden. Die Herausforderung liegt aktuell jedoch auch an der Kapazität in den Laboren. Jeder Abstrich muss zeitnah auf das Virus überprüft werden können. Gerade hat die Firma Bosch ein Verfahren angekündigt, mit dem man binnen kürzester Zeit zu einem Ergebnis kommt. Ich werde die Entwicklung im Landkreis weiter beobachten und mit dem Landrat im Gespräch bleiben, ab wann eine solche Einrichtung sinnvoll ist.

Viele Menschen haben ihr Leben verloren, wirtschaftlich wurden viele Existenzen vernichtet. Kann man eigentlich irgendjemand dafür zur Rechenschaft ziehen?
Dass man irgendwen dafür verantwortlich machen und zur Rechenschaft ziehen kann, sehe ich weder auf der persönlichen noch auf der politischen Ebene. Es gab schon immer Seuchen und Katastrophen, die die Menschheit heimgesucht haben. Den Nachrichten habe ich entnommen, dass betroffene Skiurlauber aktuell eine mögliche Klage prüfen. In Tirol war ja gerade Ischgl einer der Hotspots für das Virus.

Politisch halte ich nichts davon, als deutscher Politiker auf unsere Nachbarländer zu zeigen. Das hilft niemandem weiter. Aber natürlich wird man rückblickend diskutieren müssen, wie man die Ausbreitung von einem solchen Virus in Zukunft besser unterbinden kann. Wie man gemeinsam besser agieren kann. Gerade der Austausch und Abgleich von Informationen wird hier immer wichtiger. Das hat man bei der Flüchtlingskrise gesehen und wir sehen es jetzt bei der Corona-Krise wieder. 

Der Corona-Virus zeigt, vor welchen ungeahnten Herausforderungen unsere Demokratie in Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung steht. Dass es eben nicht selbstverständlich ist, dass wir in Frieden, in Freiheit und Wohlstand leben. In einer freien Gesellschaft, die für Offenheit und für Toleranz steht, die aber auch mit ihren Werten und Traditionen fest verwurzelt ist. Ich hoffe und bin davon überzeugt, dass viele Menschen diesen Segen, hier in Deutschland leben zu dürfen, in Zukunft wieder bewusster wertschätzen und mit ihrem Gang zur Wahlurne unsere Demokratie stärken. 

Worauf freuen Sie sich am meisten, wenn das Leben wieder zur Normalität übergeht?
Ich habe am 5. April meinen Geburtstag, den ich eigentlich wie jedes Jahr mit Freunden und meiner Familie feiern wollte. Das Corona-Virus hat mir hier einen Strich durch die Rechnung gemacht. Aber deshalb freue ich mich umso mehr, wenn ich meinen Geburtstag im Sommer nachfeiern kann.

Herr Gramling, wir danken Ihnen für das Gespräch.